Klimaneutrales Görlitz bis 2030?!

Die Klimakrise ist eines der größten Probleme unserer Zeit und es ist wichtig, dass Städte aktiv Maßnahmen ergreifen, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und tendenziell klimaneutral zu werden. Klima- und Umweltschutz ist kein fernes und weltfremdes Ziel vereinzelter „Ökos“, sondern betrifft die Lebensgrundlage und Lebensqualität aller Bürger*innen.

Insofern begrüßen wir als BUND e.V. natürlich das Ziel, dass Görlitz im Jahr 2030 klimaneutral werden möchte. Der Oberbürgermeister Oktavian Ursu hat da mit seiner Zielvorstellung ein positives und ambitioniertes Zeichen gegeben. Allerdings reicht natürlich das Schlagwort als Wahlkampfslogan nicht aus, zumal nun bereits drei Jahre vergangen sind, in denen Herr Ursu im Amt ist und recht wenig in dieser Richtung unternommen oder gar erreicht hat. Um Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen, müssten viele kleinere und größere Maßnahmen ergriffen werden, die auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen ausgerichtet sind. Hierbei müssen sowohl die Stadtverwaltung selbst als auch die Unternehmen und in geringerem Ausmaß die Bürger*innen aktiv beteiligt werden.

Ein Ansatz kann die Förderung erneuerbarer Energien sein. Dies kann durch den Ausbau von Solarenergie, Windenergie und Biogas erfolgen. Die Stadt kann auch den Einsatz von Elektromobilität und öffentlichen Verkehrsmitteln fördern und den Verkehr auf Straßen reduzieren, indem beispielsweise Fahrradstraßen und Gehwege ausgebaut werden.

Beispiele für Pläne zur Klimaneutralität aus anderen Städten

  • Berlin: Die Hauptstadt Deutschlands verfolgt ein ambitioniertes Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Dies erfordert eine Reduktion des CO2-Ausstoßes und den Ausbau erneuerbarer Energien. (Quelle: Machbarkeitsstudie Klimaneutrales Berlin 2050)
  • Hamburg: Die Hansestadt verfolgt ebenfalls das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 und setzt auf eine Kombination aus Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und CO2-Reduktion. (Quelle: Hamburger Klimaplan)
  • Frankfurt: Die Stadt Frankfurt hat kürzlich einen Masterplan zur Klimaneutralität veröffentlicht, in dem eine Vielzahl von Maßnahmen beschrieben werden, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und erneuerbare Energien auszubauen. (Quelle: Masterplan 100% Klimaneutrales Frankfurt)
  • Stuttgart: Die Stadt Stuttgart strebt ebenfalls die Klimaneutralität an und setzt dabei auf eine Vielzahl von Maßnahmen, einschließlich einer Förderung des öffentlichen Verkehrs, des Radverkehrs und des Einsatzes von erneuerbaren Energien. (Quelle: Klima‐Fahrplan 2035)
  • Einige Städte haben bereits erfolgreich Maßnahmen zur Klimaneutralität ergriffen. Eine davon ist Freiburg im Breisgau, die bereits seit den 1970er Jahren aktiv an ihrer Nachhaltigkeit arbeitet. Zu den konkreten Maßnahmen in Freiburg gehören unter anderem:
    • Förderung des Radverkehrs: Die Stadt hat ein umfassendes Netz an Fahrradwegen aufgebaut und bietet kostenlose Fahrradstellplätze an öffentlichen Plätzen an.
    • Energieeffiziente Gebäude: Freiburg fördert den Bau von energieeffizienten Gebäuden und setzt auf erneuerbare Energien wie Solarenergie.
    • Öffentlicher Nahverkehr: Freiburg hat den öffentlichen Nahverkehr ausgebaut, um den Autoverkehr zu reduzieren.
    • Kompostierung und Vermeidung von Abfall: Die Stadt fördert den Einsatz von Kompostierung und arbeitet an der Vermeidung von Abfall, um den Einsatz von Müllverbrennungsanlagen zu reduzieren.
    • Diese Maßnahmen haben Freiburg zu einer der klimafreundlichsten Städte Deutschlands gemacht und zeigen, wie eine Stadt ihre Klimaneutralität erreichen kann. Freiburg ist darüber hinaus in ganz Deutschland bekannt als lebenswerte Stadt mit hoher Wohn- und Verweilqualität. Zufall?
  • Bochum: Die Stadt Bochum förderte Solaranalagen, ob auf dem Einfamilienhaus oder dem Balkon, mit bis zu 2250 € mit einem Etat von 100.000 € (Quelle: Stadt Bochum).
  • Hannover: Es wird eine nahezu PKW-freie Innenstadt angestrebt und Öffentlicher Nahverkher, Fußgänger und Radverkehr werden gestärkt mit dem “ Integriertem Mobilitätskonzept Innenstadt Hannover 2030+„.

Der Görlitzer Weg zur Klimaneutralität: „TRUST“

Nein, Görlitz hat noch keinen Massnahmenkatalog, und schon gar keinen Masterplan. Aber Görlitz hat „Trust“: Das Akronym steht für „Transfer von Wissen zu urbanen Nachhaltigkeitstransformationen: Auf dem Weg zu klimaneutralen Städten 2030 – Görlitz als Pilotvorhaben“ und bezeichnet ein Projekt des IZS (was wiederum „Interdisziplinäres Zentrum für transformativen Stadtumbau“ bedeutet) innerhalb dessen sich ein Forschungsverbund verschiedener Partner der Stadt- und Zivilgemeinschaft sich der Zielsetzung „Klimaneutralität 2030“ widmen (wollen). Mehr Infos zum Projekt lassen sich hier nachlesen: https://izs-goerlitz.ioer.de/forschung/projekte/trust

Hier wird als „Zielsetzung“ definiert:
„Das Projekt adressiert die oben genannten kritischen Lücken und zielt darauf ab, in Görlitz als Pilotfall ein transformatives urbanes Innovationssystem für Klimaneutralität mitzugestalten. Zu diesem Zweck wird ein intensiver transdisziplinärer Wissenstransfer zwischen dem IÖR und der Stadt und ihren lokalen Akteuren stattfinden. Dabei wird auf aktuellen Erkenntnissen aus der Nachhaltigkeits-, Transformations- und Stadtforschung sowie auf inter- und transdisziplinären sowie transformativen Forschungserfahrungen aufgebaut.

Über die konkreten lokalen Ergebnisse hinaus soll das Görlitzer Pilotprojekt ein Referenzfall für andere deutsche und europäische kleine und mittelgroße Städte in peripheren Regionen sein.“

Unsere Begleitung des Projekts „Klimaneutrales Görlitz 2030“

Als von außen wahrnehmbare Aktivität des Projekts erfolgten im November 2022, im Januar 2023, März und Juni 2023 vier Gesprächstreffen mit verschiedenen Akteuren. Teil dieser vom IZS organisierten „Transformationsarenen“ waren sowohl kurze Vorträge und Vorstellungen der beteiligten Partner*innen als auch größere Austausch- und Diskussionsrunden.

Auch wir als BUND e.V. waren als Teil der interessierten Zivilgesellschaft eingeladen und haben teilgenommen mit bis zu drei Personen. Wir möchten den Prozess auch weiterhin begleiten und sichtbar machen. Eine echte Einbindung der gewünschten Akteure wird aber aus unserer Sicht nicht angestrebt und es folgen auch keine Aktivitäten aus dem Verbund. Die öffentlich zugänglichen Informationen und Daten sind ebenfalls dürftig und alles andere als transparent.

Klimaneutralität bis 2030 ist ein sehr ambitionierter Plan. Ist er überhaupt umsetzbar? Wir sind skeptisch. Klimaschutz erfordert drastische Maßnahmen und unbequeme Entscheidungen. Wir befürchten, dass die Stadtverwaltung nicht bereit ist, diesen Weg konsequent zu gehen. Stattdessen werden in zweimonatigen Abständen Gesprächskreise abgehalten, die letztendlich zu keiner signifikanten Reduktion der Emissionen führen werden.

Beim zweiten Treffen wurde bereits deutlich, dass die gleichen Fragen wieder und wieder gestellt werden, dass es keinerlei Fortgang oder Weiterentwicklung der ersten „Transformationsarena“ gab und dass sich hier ein kleiner Kreis der „ohnehin Engagierten“ im eigenen Kreis dreht.

Beim dritten Treffen haben wir Collagen gebastelt und Bilder gemalt von einer lebenswerten Stadt.

2024 könnten kleine lokale Versuche oder Pilotprojekte erarbeitet und 2025/2026 in kleinem Maßstab testhalber durchgeführt werden, wie z. B. eine verkehrsberuhigte Zone, heißt es. Aber bereits seit Jahrzehnten vorhandenes bundes-, europa- und weltweites Wissen aus kleineren und größeren Städten um bestimmte Effekte und Auswirkungen auf Klima und Lebensqualität werden hier vernachlässigt und ignoriert, als ob in Görlitz alles anders sein könnte und das Rad komplett neu erfunden werden muss, statt zielstrebig vorhandenes Wissen auf Görlitz zu adaptieren, anzuwenden und den Bürger*innen gut kommunizieren.

Wir werden weiterhin an den „TRUST“-Veranstaltungen aktiv teilnehmen und versuchen das Wissen anderer Städte in die Diskussionen und Pilotprojekte zu bringen um unseren Beitrag für die angestrebte Klimaneutralität der Stadt zu leisten und die Lebensqualität für alle Bürger*innen zu erhöhen, damit Görlitz auch für unsere Kinder und Enkel ein lebenswerter Ort zum Leben ist!